Hausi Leutenegger, was steht auf Ihrer Visitenkarte?
Nichts (überlegt und holt eine hervor). «Ehrenpräsident». Die habe nicht ich gedruckt. Ich würde sagen: Unternehmer. Um mich herum ist immer Zirkus. Alle kennen Hausi. Ich rede mit allen und weiss, was die Leute wollen, habe sehr gute Menschenkenntnis. Ich bin jung viel herumgekommen, hatte in den Niederlanden die beste Zeit meines Lebens. Das Reisen, der Sport und die Filme haben mir als Unternehmer geholfen: Alle waren «gwunderig» auf mich.
Jetzt sind Sie pensioniert?
Jetzt bin ich ein älterer Herr geworden. Ich hatte Erfolg im Leben, auch mit meiner Firma. Ohne Krise und immer mit guten Leuten. Viele sind schon lange bei mir, sie liegen mir am Herzen. Aber in den letzten Jahren habe ich mich ziemlich aus dem Rennen genommen. Mein CEO Urs Vögele, mein Sohn und mein Schwiegersohn kümmern sich ums Geschäft und halten mich auf dem Laufenden. Der Kontostand der Firma muss immer schwarz sein, sonst würde ich mich zu Tode ärgern. Ich frage regelmässig nach. Ich mag Menschen und Zahlen.
Und das Schauspielern?
Es war ein Hobby, aber es hat mir auch viele Aufträge gebracht. Eine Werbeabteilung hatte meine Firma nie, das war ich. Die Dreharbeiten und das Drumherum waren unheimlich faszinierend. Sobald die Kamera lief, war ich im Element. Film ist viel einfacher als Theater. Ich habe mir manchmal meinen Text auf den Unterarm geschrieben ...
…und mit vielen Filmgrössen gearbeitet.
Imponiert hat mir Lewis Collins, ein absoluter Profi. Klaus Kinski war ein lustiger Spinner. Er hat überall Streit gesucht. Aber ich konnte es gut mit ihm, und ich habe viel von ihm gelernt. Beneidet habe ich ihn um sein Sprachtalent. Ich kann ein paar Sprachen, spreche aber keine perfekt. Ich habe vom Herrgott einen Haufen Talente bekommen – sportlich war ich eine Kanone –, aber Sprachen gehören nicht dazu. Dort, wo ich aufgewachsen bin, wirst du nicht in der Schule gescheit, sondern im Leben.
Was war der sportliche Höhepunkt?
Als 19-Jähriger habe ich den ersten eidgenössischen Kranz geholt und war daheim in Balterswil ein Held. Meine Familie, meine Eltern waren so stolz! Meine grössten Erfolge waren die vier eidgenössischen Kränze und der vierte Rang an den Eidgenössischen Nationalturntagen 1965 in Grenchen …
… nicht der Olympiasieg in Sapporo?
Nein, da waren wir ja zu viert. Der Bobsport war damals brutal. Wir waren zu schwer, und ich wusste: Das Gewicht muss runter, sonst sind wir raus. Anschieber Hubacher war ein hungriger Mensch. Da habe ich halt einfach nichts mehr gegessen und fünf Kilo abgenommen. So holten wir Gold – und ich mir eine doppelte Lungenentzündung. Ich konnte nicht mehr gehen, war zwei Wochen in Tokio im Spital. In der ersten schwebte ich zwischen Leben und Tod.
Erfahrung mit dem Gesundheitswesen haben Sie also?
Der Sport hat mir viel gegeben, aber auch viel kaputtgemacht. Ich hatte elf Stürze beim Bobfahren und noch viel mehr Verletzungen. Aber die Ärzte und die Versicherungen haben mich immer gut behandelt. Wer über sie schimpft, ist nicht ganz hundert.
Was bedeutet Ihnen Ihre Gesundheit heute?
Ich schaue schon ein bisschen mehr darauf. Mein Freund Ferdy Kübler, der bekannte Radrennfahrer,hat immer gesagt: «Quäle deinen Körper, sonst quält er dich.» Darum mache ich jeden Morgen 50 Liegestütze. Früher bin ich mehr Velo gefahren, auch auf den Ski bin ich seltener. Beim Golfen war mein Handicap einstellig, heute nicht mehr. Aber ich bewege mich immer noch regelmässig. Und ich trinke seit 25 Jahren täglich Appenzeller, morgens ein kleines und abends ein grosses Glas.
Und sonst?
Ich lache unheimlich viel, auch über mich. Man darf sich nicht zu wichtig nehmen. Was ich alles für Geschichten höre über Hausi, Wahnsinn! Lachen, sich bewegen und immer ein Plänli haben – etwas zu tun –, das ist wichtig.
Was bedeutet die Familie für Sie?
Ich bin in einfachen Verhältnissen, aber in einer wundervollen Familie aufgewachsen. Meine Mutter war eine grossartige Frau. Ich bin von Haus aus ein Familienmensch. Ich hatte vier Brüder und drei Schwestern. Zwei Schwestern leben noch. Es ist nicht einfach, alt zu werden, weil du viele Leute verlierst. (Kirchenglocken läuten zur Beerdigung.) Hören Sie das?
Sind Sie gläubig?
Der Glaube ist mir enorm wichtig. Geiz ist die grösste Sünde. Ich war immer grosszügig, schon als Bub. Wenn du so Erfolg hast, hast du nicht das Recht, alles für dich zu behalten. Denn eines Tages musst du dich verantworten.
Worauf sind Sie besonders stolz?
Ich bin stolz, dass ich in meinem Leben vielen Leuten helfen konnte. Wenn du so einfach aufgewachsen bist und plötzlich Erfolg hast, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Du bleibst derselbe, oder du fängst an zu spinnen. Ich bin derselbe geblieben. Ich rede mit allen, egal ob Handlanger oder Millionär. Ich habe die Leute gern.
Ich habe viel gegeben und sehr viel bekommen. Wenn du älter wirst, spürst du das: Wie man in den Wald ruft, so kommt es retour. Ich hatte immer Leute, die mir geholfen haben. So habe ich im Leben 95 Prozent erreicht.
Was nicht?
Ich hätte gerne eine Karriere als Profischauspieler gemacht. Jetzt mit 85 ist es mein Ziel, jeden Tag zu geniessen. Wir sind nur kurz auf der Welt
Zur Person
Hans «Hausi» Leutenegger (85) wuchs im Hinterthurgau in bescheidenen Verhältnissen auf, machte eine Lehre als Bauschlosser und arbeitete unter anderem in den Niederlanden, bevor er 1965 die Hans Leutenegger AG gründete. Der erfolgreiche Nationalturner gewann 1972 in Sapporo Olympia-Gold im Viererbob und spielte in über 30 Filmproduktionen mit, unter anderem an der Seite von Lewis Collins, Manfred Lehmann und Klaus Kinski in «Kommando Leopard». Er hat eine Tochter und einen Sohn, ist in zweiter Ehe verheiratet und lebt auf Gran Canaria, in Freienbach SZ und Rolle am Genfersee